Aus: junge
Welt Ausgabe vom
01.12.2014, Seite 2 / Ausland
Angriff aus der Türkei
IS-Kämpfer beschießen nordsyrische Stadt Kobani über Grenze hinweg
Von Nick
Brauns
Erstmals
seit Ausbruch der Kämpfe um Kobani (Ain Al-Arab) vor zweieinhalb
Monaten hat die Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) die belagerte Stadt
im Norden Syriens von türkischem Territorium aus unter Beschuss genommen. Die
Stadt werde nun von vier Seiten angegriffen, berichtete die Kovorsitzende
der in Kobani führenden Partei der Demokratischen
Union (PYD) am Samstag gegenüber dem kurdischen Fernsehsender Ronahi TV.
Der Angriff
hatte demnach am Samstag um fünf Uhr früh mit der Detonation eines aus der
Türkei kommenden, mit Sprengstoff beladenen Lastwagens direkt am Grenzübergang Mürsitpinar begonnen. Der auf syrischer Seite von den
kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG kontrollierte Übergang ist die
einzige Versorgungsroute für die belagerte Stadt. Auch zwei
Selbstmordattentäter sprengten sich dort nach Angaben des Pressezentrums der
YPG in die Luft. Anschließend hätten IS-Kämpfer von türkischer Seite aus die
Innenstadt von Kobani mit Granatwerfern beschossen.
Rund 50 Dschihadisten sollen sich auf türkischem
Boden in staatlichen Getreidesilos sowie in zwei von der türkischen Armee vor
Wochen evakuierten Grenzdörfern verschanzt haben.
Eine Stunde
vor Beginn der IS-Offensive wurde die Stromversorgung für die nahe Kreisstadt Suruc und mehrere Dörfer entlang der Grenze zu Syrien
abgeschaltet, in denen Aktivisten seit Monaten Wache halten, um Grenzübertritte
von Dschihadisten zu verhindern. Mitarbeiter des
staatlichen Stromversorgungsunternehmens gaben gegenüber Firat News an,
dass sie den Befehl dazu »von oben« erhalten hätten. Der Gouverneur der Provinz
Sanliurfa, Izzettin Kücük, habe ihm bestätigt, dass
der IS von Suruc aus Kobani
angegriffen habe, erklärte der Parlamentsabgeordnete der linken kurdischen
Demokratischen Partei der Völker (HDP), Ibrahim Ayhan. Sprecher des
Generalstabs und der türkischen Regierung wiesen die Berichte als »Lüge«
zurück. Von Firat News veröffentlichte Videoaufnahmen zeigen allerdings,
wie aus Richtung der Getreidesilos auf die YPG-Kämpfer gefeuert wird.
Nach
YPG-Angaben konnte der Angriff am Grenzübergang ebenso zurückgeschlagen werden
wie eine zeitgleich an der Süd- und Ostseite der Stadt gestartete IS-Offensive.
Trotz großer Verluste würde der IS jedoch permanent
Verstärkung bekommen, berichtete die Kommandantin der den YPG angeschlossenen
Frauenverteidigungseinheiten YPJ in Kobani, Meysa Abdo, gegenüber Firat News. Dabei handele es
sich vor allem um ausländische Dschihadisten.