Bierpreiserhöhung – ein Spiel mit dem Feuer

 

 

„Das Bier wird schon wieder teuerer“ – in großen Lettern meldeten die Münchner Zeitungen vergangene Woche diese Horrormeldung. 3,30 Euro sollen die Münchner bald für eine Halbe berappen. Verantwortlich sind die Brauereien, die ihre Abgabepreise erhöhen. Dass dies ein Spiel mit dem Feuer ist, beweist ein Blick in die Geschichte. Als im Jahre 1844 aufgrund von Rohstoffverteuerungen und neuen Steuern der Bierpreis um einen Pfennig pro Maß anstieg, stürmten mehrere Tausend aufgebrachte Bürger am Abend des 1.Mai die Brauereibesitztümer und verwüsteten alles, was nicht niet- und nagelfest war. In einem Erlass des Polizeidirektors vom 4.Mai 1844 heißt es: „Das Zechen in den Gasthäusern wird von 6 bis 11 Uhr vormittags gar nicht, und nachmittags nur so lange geduldet, als keine Exzesse verübt werden. Bei vorfallenden Exzessen werden die Gasthäuser durch die bewaffnete Macht geräumt, und die Gäste setzen sich der Gefahr der Arretierung aus.“ Da sich herbeigerufene Soldaten ebenfalls gegen die Preiserhöhung wandten und sich weigerten, gegen die Randalierer vorzugehen, musste König Ludwig I. von Bayern am vierten Abend der Unruhen klein beigeben und per Dekret den Bierpreis wieder senken.

Ein Bericht über die erste Münchner Bierrevolution aus der Feder des jungen Friedrich Engels findet sich unter dem Titel „Beer Riots in Bavaria) am 25.Mai 1844 im Northern Star, dem Zentralorgan der britischen Chartisten. In der deutschsprachigen Marx-Engels-Werksausgabe fehlt dieser Artikel leider.

 

Nick Brauns

 

Bier-Revolte in Bayern

 

Das bayerische Bier ist das berühmteste von allen in Deutschland gebrauten Sorten dieses Getränkes und die Bayern sind selbstverständlich ausgesprochen süchtig danach, es in ziemlich großen Mengen zu konsumieren.

Die Regierung hat eine neue Steuer von 100 Schilling pro Maß auf das Bier eingeführt, was zu Unruhen führte, die sich über mehr als vier Tage hinzogen. Die arbeitende Bevölkerung versammelte sich in großer Menge, marschierte durch die Straßen, überfiel öffentliche Gebäude, schmiss die Fester ein, zertrümmerte die Einrichtung und zerstörte alles in ihrer Reichweite um Rache für die Preiserhöhung ihres Lieblingsgetränkes zu nehmen.

Das Militär wurde herbeigerufen, aber ein Reiterregiment, dem befohlen wurde, aufzusitzen, verweigerte den Befehl. Die Polizei, die wie allerorts beim Volk äußerst unbeliebt war, wurde von den Randalierern schwer verprügelt und misshandelt und jede Wachstation, die normalerweise von Polizeioffizieren besetzt wurde, musste durch Soldaten besetzt werden, die aufgrund ihres guten Verhältnisses zur Bevölkerung als weniger feindlich angesehen wurden und eine offenkundige Abneigung zeigten, einzuschreiten. Sie schritten lediglich ein, als die Königsresidenz angegriffen wurde und selbst in diesem Fall nahmen sie kaum eine Haltung ein, die geeignet war, die Randalierer zurückzuhalten.

Am zweiten Abend (dem 2.Mai) besuchte der König, in dessen Familie gerade eine Hochzeit gefeiert worden war und der aus diesem Grunde viele illustre Gäste an seinem Hofe versammelt hatte, das Theater; aber als sich am Ende des ersten Aktes eine Menschenmenge vor dem Theater versammelte und es zu stürmen drohte, verließ jeder das Gebäude um zu sehen, was los war und Seine Majestät mit seinen illustren Gästen war gezwungen, ihnen zu folgen, sonst wäre er alleine an seinem Platz zurückgeblieben. Die französische Presse behauptete, dass der König bei dieser Gelegenheit dem vor dem Theater stationierte Militär befahl, auf die Leute zu schießen und dass die Soldaten dies verweigerten. Die deutsche Presse erwähnt dies nicht, wie es aufgrund der Zensur zu erwarten ist; da allerdings die französische Presse manchmal über auswärtige Angelegenheiten ziemlich schlecht informiert ist, können wir nicht für den Wahrheitsgehalt dieser Meldung bürgen.

Aus all dem ergibt sich, dass sich der Dichterkönig (König Ludwig von Bayern ist der Autor dreier unlesbarer Gedichtbände, eines Reiseführers über eine seiner öffentlichen Bauten etc. etc.) während dieser Unruhen in einer äußerst peinlichen Lage befand. In München, einer Stadt voll von Soldaten und Polizei, dem Sitz des Königshofes, dauern Krawalle ungeachtet des ganzen Militäraufmarsches vier Tage an, - und zu guter Letzt erreichen die Randalierer ihr Ziel. Der König stellte durch eine Verordnung, die den Bierpreis von 10 auf 9 Kreuzer pro Maß senkte, die wieder Ruhe her.

Wenn das Volk einmal gelernt hat, dass es der Regierung im Falle ihres Steuersystems Angst einjagen konnte, dann wird es schnell erkennen, dass es eben so einfach ist, ihr auch bei wichtigeren Angelegenheiten das Fürchten zu lehren.

 

(Übersetzung: Nick Brauns)

 

Junge Welt 06.03.2002