Der Fluch des schwarzen Goldes

Am Wochenende verstarb der arabische Schriftsteller Abdalrachman Munif. Im vergangenen Jahr erschien sein Roman „Salzstädte“ endlich auf deutsch.

Der arabische Schriftsteller Abdalrachman Munif ist am vergangenen Sonnabend im Alter von 71 Jahren in Damaskus verstorben. Munif war einer der produktivsten Autoren der arabischen Welt. Sein Werk besteht aus 15 Romanen, die auch über die arabische Welt hinaus Beachtung fanden. Sein letzter Roman über den Irak bliebt unvollendet. Auf deutsch liegt seit Herbst 2003 der bei Diederichs erschienene Roman „Salzstädte“ vor.

Munif wurde 1933 in Jordanien geboren. Sein Vater stammte aus Saudi-Arabien, seine Mutter aus dem Irak. Er studierte Jura und Ökonomie und promovierte auf dem Gebiet Erdölwirtschaft. Jahrelang war er für die OPEC tätig. Ab 1981 widmete er sich ausschließlich der Schriftstellerei. Das saudische Herrscherhaus, dass Munif aus politischen Gründen bereits 1963 die Staatsbürgerschaft entzogen hatte, verbot seine Romane umgehend. Zu deutlich wird die bis heute fortdauernde Allianz einheimischer Notabeln mit den Vereinigten Staaten beschrieben. Doch jedes Buch Munifs fand auf Schleichwegen ins Land und geht dort von Hand zu Hand. Außerhalb Saudi-Arabiens wurde allein das Buch „Salzstädte“ bereits 100.000 mal verkauft. „Wir lasen Munifs Bücher während der Baath-Diktatur auch im Irak in den Widerstandskreisen“, erinnert sich der bekannte Theaterregisseur Hawre Zangana. „Als Kurde lernte ich aus den Büchern dieses arabischen Schriftstellers, dass ich gegen jede Ungerechtigkeit kämpfen muss.“

„Salzstädte“ ist Teil eines gleichnamigen fünfbändigen Romanzyklus, der zwischen 1984 und 1989 auf arabisch erschien. Mit den „Salzstädten“ mein Munif die künstlich aus dem Boden gestampften Ölstädte auf der arabischen Halbinsel. „Salzstädte sind Siedlungen, die keine dauerhafte Existenz ermöglichen. Wenn Wasser eindringt, lösen schon die ersten Wellen das Salz auf, und diese großen gläsernen Städte versinken im Nichts.“

Am Beispiel einer Oase und eines Ölhafens am Arabischen Golf wird der Wandel der traditionellen arabischen Gesellschaft durch die amerikanische Eroberung des Erdöls in den 1930er Jahren geschildert.

Jahrhunderte lebten die Bewohner der Oase im Wadi al-Ujun friedlich zusammen. Nur die regelmäßig eintreffenden Karawanen bilden den Kontakt zur Außenwelt. Doch plötzlich tauchen Ausländer auf. Erst nehmen die Fremden Bodenproben. Dann rücken „Ungetüme aus Eisen“ an. Nur der alte Beduinenkrieger Mut`ib Haddal ahnt, dass diese Ereignisse das Leben der Beduinen für immer zerstören werden. Gegen die mit dem Emir verbündete Erdölgesellschaft ist Haddal machtlos. Auf seinem weißen Kamel verschwindet er für immer. Als mystischer Rächer lebt Haddal in Hoffnungen der Beduinen und den Albträumen der Amerikaner weiter. 

Erst werden die Palmen, dann die Menschen entwurzelt. Der Ölrausch zerstört die althergebrachte Strukturen und Werte der Dorfgemeinschaften. Von einheimischen Würdenträgern werden die Beduinen als billige Arbeitskräfte an die Amerikaner verkauft und in glühend heißen Baracken am Ölhafen Harran zusammengepfercht. Eine Zeitlang lassen sich die arabischen Arbeiter vom versprochenen Geld und den unerreichbaren weißen Frauen im amerikanischen Camp blenden. Sie verkaufen ihre Kamele und ihre Grundstücke. Doch als Arbeiter entlassen und der traditionelle Heiler von Harran von der neuaufgestellten Polizei als „Vagabund“ ermordet wird, versammeln sich die Menschen in der alten Moschee und es kommt es zum Aufstand gegen die Ölfirma.

 „Salzstädte“ ist ein Mosaik aus einer Vielzahl handelnder Personen. Nur wenige dauerhafte Charaktere durchziehen das ganze 560 Seiten starke Werk. Die meisten Personen kommen und gehen schon wenige Seiten später. Munif schreibt nicht als Biograph einzelner Helden, sondern als Chronist der Masse einfacher Menschen, die im Schatten der Bohrtürme ihr Dasein fristet.

Für den in vergangene Jahr verstorbenen palästinensisch-amerikanischen Literaturwissenschaftler Edward W. Said sind die „Salzstädte“ ein Schlüsselroman zum Verständnis des Nahen Ostens. Es ist „der einzige Roman, der zeigt, wie das Öl, die Amerikaner und die örtlichen Machthaber das Leben in einem Golfstaat bestimmen.“

Nikolaus Brauns

Abdalrachman Munif: Salzstädte. Diederichs-Verlag 2003. ISBN 3-7205-2425-6.

Aus dem Arabischen von Magda Barakat und Larissa Bender. 560 Seiten, gebunden. 24,95 €