„Graue
Wölfe“ im Schafspelz
Unterwanderungsversuche deutscher Parteien
Am 14. Juli 2011 starben in der südosttürkischen Provinz
Diyarbakir 13 türkische Soldaten bei einem Gefecht mit kurdischen
Guerillakämpfern. In der Westtürkei kam es in der Folge zu einer Welle nationalistischer Proteste mit Übergriffen auf
Kurden und Anschlägen auf Büros der prokurdischen „Partei
für Frieden und Demokratie
(BDP)“. Auch in Deutschland fanden diese Ereignisse ihren
Widerhall.
von Nick Brauns
In Peine und Hannover wurden ein kurdischer Kulturverein
und ein linker türkischer Jugendverein von mutmaßlichen türkischen Faschisten
demoliert und türkische Fahnen aufgehängt. Zusätzlich deponierten die Angreifer
vor dem kurdischen Verein verbrannte Knochen und verkohlte menschliche Figuren. Am
30. Juli demonstrierten in Mannheim 700 türkische Nationalisten auf einem
»Gedenkmarsch für die gefallenen türkischen Soldaten« gegen angeblichen
kurdischen Terror. Anmelderin der fast ausschließlich über „Facebook“
beworbenen Demonstration war eine Vertreterin der in der Türkei vom ehemaligen
General Osman Pamukoglu geführten „Partei für Recht
und Gleichheit (HEPAR)“. Dominiert wurde der Marsch von den als »Graue Wölfe«
bekannten Anhängern der faschistischen „Partei der Nationalen Bewegung (MHP)“
aus der Türkei. Mitglieder dieser, im Juni diesen Jahres erneut mit 13 Prozent
ins türkische Parlament gewählten Partei, waren in den 1970er Jahren für zahlreiche
Morde an Linken, Aleviten und der kurdischen
Minderheit verantwortlich. Neben den „Grauen
Wölfen“ war in Mannheim das gesamte Spektrum des türkischen Nationalismus
vertreten: von islamisch-nationalistischen Gruppierungen bis zu strikt
laizistischen Atatürk-Anhängern. Als einigendes Band diente die
Kurdenfeindschaft. Als die aufgeputschten Demonstranten versuchten, von der
Polizei eingekesselte AntifaschistInnen und KurdInnen anzugreifen, weckte dies Erinnerungen an den
Herbst 2007, als es in Berlin und anderen deutschen Städten im Anschluss an
solche Demonstrationen zu Hetzjagden und Übergriffen auf kurdische Vereine
gekommen war.
Unterwanderung deutscher Parteien
Gegenüber der deutschen Öffentlichkeit setzt die MHP-nahe
»Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine
in Deutschland« (kurz Türkische Föderation oder ADÜTDF) mit ihren rund 150
Mitgliedsvereinen und 7.000 Mitgliedern auf ein gemäßigtes Auftreten. Während
Graue Wölfe in ihren Vereinen regelrechte Mordhetze gegen vermutete »Feinde des
Türkentums« wie Kurden, Armenier, Juden, Aleviten, Linke und Homosexuelle verbreiten, versuchen sie
sich nach außen als Demokraten und sogar Antirassisten zu verkaufen. Laut
Auskunft der Bundesregierung haben
„Graue Wölfe“ versucht
an Gelder aus dem »antiextremistischen« Bundesprogramm »Toleranz fördern –
Kompetenz stärken« zu gelangen (BT-Drucksache 17/6677).
Durch Kultur- und Sportangebote für Jugendliche und die
Kandidatur unverfänglicher Tarnlisten zu Ausländerbeiräten verankern sich die „Grauen
Wölfe“ innerhalb der türkischen MigratInnen in
Deutschland. Dazu unterwandern sie auch deutsche Parteien, die wiederum im
Buhlen um türkische Stimmen beide Augen vor möglichen Verbindungen ihrer
türkischen Mitglieder zu faschistischen Organisationen verschließen.
1995 hatte der historische MHP-Führer und Hitler-Verehrer
Alparslan Türkes seine Anhänger in Deutschland bei
der Jahresversammlung der „Türkischen Föderation“ zur aktiven Politik in CDU
und CSU aufgerufen. Offenbar mit Erfolg. In den letzten Jahren wurden
insbesondere in Nordrhein-Westfalen mehrere Fälle bekannt, in denen Anhänger
der „Grauen Wölfe“ in der CDU aktiv wurden oder CDU-Funktionäre die „Türkische
Föderation“ besuchten. Beim „Deutsch-Türkischen Forum (DTF)“ der CDU scheint
die Kooperation mit den „Grauen Wölfen“ inzwischen gängige Praxis zu sein – bis
hin zu gemeinsamen Pressekonferenzen. Eine von einem DTF-Mitglied verfasste
Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung empfiehlt Unionspolitikern laut
der Tageszeitung Die Welt »aus politstrategischen Gesichtspunkten« im
Einzelfall abzuwägen, »inwieweit eine zielgerichtete Zusammenarbeit« mit
türkischen Rechten möglich sei.
Doch auch aus der SPD und den Grünen werden immer wieder
Fälle einer Unterwanderung bekannt. So zog in Wetzlar zu Jahresbeginn ein
Kandidat seine Kandidatur auf der SPD-Kommunalwahlliste zurück, nachdem seine
Vorstandstätigkeit
in einem ADÜTDF-Mitgliedsverein öffentlich wurde.
»nationalistische
Internationale«
In
den 1980er Jahren hatte noch ein enges Bündnis zwischen der NPD und der MHP bestanden,
das Anfang der 90er Jahre nach den tödlichen Brandanschlägen von Neonazis auf
den von Türken bewohnten Häusern zum Bruch kam. Zwar trat im Februar 2011 ein
Referent der „Grauen Wölfen“ vor dem NPD-Kreisverband Jena auf. Doch trotz
zahlreicher gemeinsamer Feindbilder dürfte die Fremdenfeindlichkeit der meisten
NPD-Anhänger einer engen Zusammenarbeit im Wege stehen. So wurde aus der vom
hessischen NPD-Vorsitzenden Jörg Krebs 2007 angedachten Zusammenarbeit
deutscher und türkischer Faschisten im Rahmen einer „nationalistischen
Internationale“ nichts. Im Blick hatte Krebs vor allem die Zusammenarbeit mit
der MHP in der Türkei. In Deutschland könnte man mit den „Grauen Wölfen“
allerdings »Gespräche darüber führen, wie sich die MHP die Zukunft ihrer in
Deutschland lebenden Landsleute vorstellt und inwiefern diese bereit ist, ihren
Landsleuten eine Rückkehr in die Heimat nahezulegen«, stellte Krebs später
klar.
Aus: DerRechteRand Nr. 132, September/Oktober 2011