Junge Welt 27.05.2011 / Feuilleton / Seite 13

Unsere 7

Solidarität mit einer Münchner Kultkneipe

Von Nick Brauns/Claudia Wangerin

 

»Gentry« heißt auf Englisch soviel wie »niederer Adel«. Wenn Stadtteile durch diesen oder vergleichbar wohlhabendes Bürgertum vereinnahmt werden, weil Geringverdiener sich die Mieten nicht mehr leisten können, sprechen Soziologen von Gentrifizierung. In Berlin gibt es dagegen militanten Widerstand. München allerdings war im großen und ganzen schon »gentrifiziert«, als wir in den 90er Jahren von zu Hause auszogen. Entsprechend winzig waren die Appartements, die wir uns gerade noch leisten konnten in der Germaniastraße 3, etwa zwei Fußminuten von der »Schwabinger 7« entfernt, so daß wir von dort in jedem Zustand wieder zurückfanden. Der »7« drohnt nun Anfang Juli der Abriß.

Im Sommer konnten wir den Englischen Garten als Wohnzimmer nutzen, im Winter fiel uns manchmal die Decke auf den Kopf. Um unsere Lebern zu schonen, verbrachten wir nicht jeden Abend in der düsteren Nachkriegsbaracke in der Feilitzschstraße 7, die gerüchteweise den höchsten Bierverbrauch pro Quadratmeter in Europa hat. Aber das stimmt sicher nur, wenn man die Münchner Theresienwiese zur Oktoberfestzeit nicht mitrechnet.

Auf dem Heimweg von der Politsitzung noch ein schnelles Bierchen in der »7« und dann ab ins Bett – wie oft endete dieser Vorsatz in einem endlosen schwarzen Loch, aus dem wir erst zwischen vier und fünf Uhr früh durch apruptes Ausschalten der Hardrock-Musik und ebenso apruptes Einschalten von Neonlicht durch das Bar-Team wieder ausgespuckt wurden.

Die meisten, die im neuen Jahrtausend in die »7« kamen, waren keine echten Revoluzzer mehr. Es waren brave Mittelstandskinder, die im Kerzenschein bei harter Musik einige Nächte lang dem Traum vom wilden Leben anhingen und tagsüber wieder die Unibank drückten. Doch manchmal war der Geist der Revolte noch lebendig. Etwa, als sich im März 1993 spontan Gäste in den Armen lagen, um die gelungene Sprengung des Knastneubaus in Weiterstadt durch das »Kommando Katharina Hammerschmidt« der RAF zu feiern. Auch unsere Antifabroschüren gegen die faschistischen Republikaner, die sich damals noch im Aufschwung befanden, gingen in der »7« immer weg wie warme Semmeln. Ja, auch Bullen gab es in der »7«. Doch die wollten möglichst nicht als solche erkannt werden, wenn sie genüßlich die wohlriechenden Kräuter inhalierten, die sie möglicherweise zuvor im Englischen Garten bei einer Razzia erbeutet hatten.